Erst pfui, dann hui – Baggerseepiraten entern Parzival-Halle
21:23 (16:11) Auswärtssieg gegen den TV Kirchzell –
Dank einer hundertprozentigen Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit kehren die Rodgauer erstmals in ihrer Geschichte als Sieger aus Amorbach zurück. Der Weg zum zweiten Auswärtssieg der laufenden Saison war allerdings mehr als beschwerlich. Denn nach den ersten 30 Minuten hätten wohl nur noch die allergrößten Optimisten auf einen Sieg der Gäste gewettet.
Erschreckend schwach präsentierten sich die Jungs von Trainer Redmann bis zu diesem Zeitpunkt. Pomadig und ohne Durchschlagskraft im Angriff tat man sich mit dem Torewerfen vom Anpfiff weg sehr schwer. Dazu kamen einige Pfostentreffer und ein starker Kirchzeller Torwart Tobias Jörg, der etliche Bälle der Rodgauer hielt. Die Verunsicherung in der Offensive übertrug sich allmählich auch auf das eigentliche Prunkstück der HSG, die eigene Abwehr. Viel zu groß waren die Abstände zwischen den jeweiligen Verteidigern, vor allem den Kirchzeller Aktivposten Josip Punda bekam man überhaupt nicht in den Griff. So setzten sich die aufopferungsvoll kämpfenden Odenwälder nach und nach ab (8:6, 11:8, 13:9). Fast mit dem Halbzeitpfiff der beiden Unparteiischen gelang dem amtierenden Hessenmeister dann noch der 16. Treffer, während die HSG-Kanoniere magere 11 mal ein Tor bejubeln durften. Da passte es auch ins schlechte Bild, dass sich Rechtsaußen Philip Wesp bei einer unglücklichen Aktion den Fuß verdrehte und danach nicht mehr mitmischen konnte.
Die einhellige Meinung in der gut besuchten Halle war jedenfalls, dass dieses Ergebnis absolut in Ordnung ging und die Rodgauer die wohl schlechteste Saisonhalbzeit abgeliefert hatten. „Wir haben in der Halbzeit einige Dinge angesprochen. Ich habe den Jungs gesagt, dass ich eine Reaktion erwarte“, so Trainer Redmann im Anschluss an die Partie. Und er wurde nicht enttäuscht: Was auch immer in der Kabine besprochen wurde oder welcher Schalter genau umgelegt wurde ist zwar nicht nachvollziehbar. Aber mit dem Anpfiff zur zweiten Halbzeit hatte es den Anschein, als wären die Baggerseepiraten komplett verwandelt. Vor allem Henning Schopper kam jetzt richtig auf Betriebstemperatur, erzielte 4 Treffer in Folge und legte den Grundstein für die Aufholjagd. Immer noch störten ungewohnt viele technische Fehler und Ballverluste das Angriffsspiel aber dafür rührte man nun in der Abwehr feinsten Rodgauer Beton an. Die jungen Kirchzeller fanden überhaupt keine Lücken mehr in der brettharten HSG-Defensive, allen voran der bissige Yannick Sinnecker gewann mehr Zweikämpfe als die ganze Mannschaft in der kompletten ersten Hälfte. Und wie es sich für einen Kapitän gehört, war Marco Rhein immer wieder in höchster Not zur Stelle. Der Routinier zeigte eine Gala-Vorstellung, Würfe von Außen wurden reihenweise seine Beute, dazu kamen noch zwei gehaltene Strafwürfe. Spektakulär eine Dreifachparade innerhalb von 10 Sekunden, spätestens ab diesem Zeitpunkt hatte sich der Torhüter dermaßen Respekt bei den Kirchzellern verschafft, dass die sichtbar die Köpfe hängen ließen. Kurz und knapp, der HSG-Express war nicht mehr aufzuhalten. Das merkten auch die 150 mitgereisten Gästefans, die ebenso wie ihre Jungs auf dem Spielfeld nun das Kommando in der Parzival-Halle übernahmen. Unter lautstarkem Jubel gelang zunächst der 17:17 Ausgleich durch Hofferbert, Treffer von Kohlstrung und Stenger brachten dann sogar die 17:19 Führung. Erst nach 17 Minuten (!) erzielten die Kirchzeller den zweiten eigenen Treffer in der zweiten Halbzeit. Auch die unverhältnismäßige Verteilung der Zeitstrafen schockte die Rodgauer nicht, selbst eine 4:6 Unterzahlsituation überstand man schadlos. Zwar musste man durch Schnellbacher noch einmal den 21:21 Ausgleich hinnehmen, doch das Momentum lag längst auf Seiten des Tabellenvierten. Hoddersen im Nachwurf und der überragende Schopper stellten die Anzeigetafel wieder auf Gästeführung und spätestens als Marco Rhein den zweiten 7m vereiteln konnte, waren die Odenwälder Spatzen gefangen. „Das war ein Sieg der Moral, so ähnliche Spiele haben wir letztes Jahr noch verloren“, zeige sich auch Co-Trainer Andi Knaf nach dem Schlußpfiff zufrieden.