26:24 (15:13) Heimsieg gegen die SG Nußloch-

Es gibt Partien, in denen sich der neutrale Berichterstatter schwertut, überhaupt ein paar kümmerliche Zeilen zu Papier zu bringen, weil die Highlights von 60 Minuten an einer Hand abgezählt werden können. Und andererseits gibt es Spiele, in denen so viele Dinge passieren, dass man Mühe hat sich am nächsten Tag noch an alle zu erinnern. Genau aus dieser Rubrik war das Spitzenspiel der 3. Liga Mitte zwischen der HSG Rodgau und der SG Nußloch am vergangenen Samstag.

Eine mit über 600 Zuschauern rappelvolle Halle an der Wiesbadener Straße, stimmungsvolle Fanlager auf beiden Tribünenseiten und natürlich die Hauptakteure auf dem Feld, die vom Anpfiff weg den Zuschauern rasanten Handball boten. Direkt nach 29 Sekunden hämmerte Philippe Kohlstrung die Harzkugel zum 1:0 in die Maschen und hob damit den Vorhang für ein denkwürdiges Handballspiel. Die Nußlocher, mit voller Kapelle angereist, liessen sich nicht lange bitten und kamen über Christian Zeitz zum Ausgleich. Und bei diesem Takt der Begegnung blieb es zunächst auch. In schöner Regelmäßigkeit legten die Rodgauer einen Treffer vor, um postwendend den Ausgleich zu kassieren. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt spürte man die enorm hohe Intensität in den Zweikämpfen. Immer wieder mußten die Rodgauer ihre physische Unterlegenheit durch erhöhte Laufbereitschaft ausgleichen. Auf den Halbpositionen hatten Kohlstrung und Beni von Stein Schwerstarbeit zu verrichten und auch im Mittelblock beackerten Johannes von der Au und Philipp Keller ihre Kontrahenten hart aber zumeist fair.  Dies sollte auch der Schlüssel zum  Erfolg werden, denn die HSG-Defensive liess den Tabellenführer kaum zu einfachen Torgelegenheiten kommen. Zwar sah es beim 6:8 danach aus, als ob sich der Favorit absetzen könnte aber mit einem 3:0 Lauf wendeten die Rodgauer wieder das Blatt und Gästetrainer Marc Nagel sah sich zu einer Auszeit gezwungen. Doch auch in der Folge dominierten die Hausherren die Begegnung, erst kochte der überragende Marco Rhein einen Strafwurf ab, anschließend präsentierte sich US-Nationalspieler Sam Hoddersen wieder in Torlaune und erzielte 3 blitzsaubere Treffer. Personell dezimierten sich die Gäste, denn nachdem Ex-Weltmeister Zeitz in der 10. Minute verletzt ausgeschieden war, sah sein Vertreter Adrian Fritsch nach einem überharten Einsteigen gegen von der Au glatt rot. Den fälligen 7-m verwandelte Kohlstrung zum 12:9, insgesamt erzielte er 7 Treffer und war damit neben Henning Schopper bester HSG-Schütze. Mit dem frenetischen Publikum im Rücken gelang sogar noch der Treffer zum 15:11, doch die individuell bärenstark besetzten Gäste kamen noch vor dem Halbzeitpfiff durch den bulligen Kreisläufer Ganshorn zum 15:13.

Nach dem Wiederanpfiff des fast fehlerfreien Schiedsrichtergespanns Homa/Mehl, deren Leistung im anschließenden Trainergespräch von beiden Trainern als „überragend“ eingestuft wurde, egalisierten die Nußlocher schnell den knappen Rückstand und glichen zum 15:15 aus. Es entwickelte sich nun eine wahre Abwehrschlacht, in deren Verlauf die Torhüter mehr und mehr ins Rampenlicht rückten. Bei den Gästen hütete der erst 21-jährige Moritz Mangold das Tor, zahlreiche Würfe der HSG-Cracks fanden den Weg nicht an ihm vorbei. Aber auf der Gegenseite war auch der Kapitän der Baggerseepiraten jetzt endgültig im Wettkampfmodus. Reihenweise brachte er die Nußlocher Werfer zur Verzweiflung, ob von Außen, aus dem Rückraum oder von der Strafwurflinie. Am 32-jährigen war fast kein Vorbeikommen mehr möglich. Im gleichen Maße wie die Torfrequenz abnahm, stieg die Intensität der Partie weiter an. Die Zwischenstände 17:17, 20:20 und 22:22 verdeutlichen, wie hart umkämpft die Begegnung war. Ein goldenes Händchen hatte Redmann dann mit der Einwechslung von Ketil Horn. Der erst 18-jährige, der zuvor noch ein A-Jugend Bundesligaspiel über 60 Minuten absolviert hatte, kam in der Crunch-Time aufs Feld und markierte zwei immens wichtige Treffer in einer Phase, als es spielerisch nicht rund lief. Vor allem der knallharte Schlagwurf zum 23:22 sorgte für ohrenbetäubenden Jubel, schon knapp 10 Minuten vor dem Ende hielt es keinen mehr auf den Sitzen. Als Henning Schopper mit einem Doppelschlag die Anzeigetafel auf 25:23 stellte und Marco Rhein den dritten Siebenmeter parierte, drohte die Hallendecke wegzufliegen. In diesem Hexenkessel waren jetzt nur noch zwei Minuten zu spielen, da kassierte von der Au eine Zeitstrafe, den fälligen Strafwurf verwandelte Martin Schmiedt zum 25:24. Bis zum Abpfiff mußten die Rodgauer also in Unterzahl agieren. Mit vereinten Kräften zwangen die auf der letzten Rille laufenden HSG-Akteure den Tabellenführer zu einem schlechten Abschluß. Im eigenen Ballbesitz  brachte Kohlstrung 20 Sekunden vor Schluß die Kugel zu Benni von Stein und der krönte seine Leistung mit dem 26:24. Nach dem Abpfiff gab es dann kein Halten mehr, unter einer riesigen Jubeltraube verschwanden Trainer, Betreuer, Spieler und auch der ein- oder andere Zuschauer. „Spitzenreiter, Spitzenreiter“-Gesänge wurden angestimmt, minutenlang feierten die über 500 HSG-Fans ihre Mannschaft, die nicht nur den Tabellenführer mit einer tadellosen Leistung besiegt hatte. Zudem kletterten die Baggerseepiraten selbst auf den Platz an der Sonne und belegen mit 18:4 Punkten mindestens für eine Woche Platz 1 in der 3. Liga Mitte.

Das Resümee war einhellig: Die Zuschauer hatten ein echtes Spitzenspiel gesehen, das seinem Namen gerecht wurde, bis zum Schluß spannend war und das einen Sieger fand, der vielleicht den kleinen Tick mehr Leidenschaft investiert hatte. Pressesprecher Marzo, sonst nicht um Worte verlegen, mußte sich erst mal sammeln um das Erlebte zu verarbeiten: „Ich kann allen Beteiligten nur gratulieren, ob Fans, Spielern oder den Schiedsrichtern. Das was wir heute erlebt haben, war wirklich ganz großes Kino mit dem glücklicheren Ende für uns. Ein fantastisches Handballspiel mit großartigen Akteuren auf beiden Seiten. Und genau das gleiche hätte ich gesagt, wenn wir jetzt als Verlierer dastehen würden.“

Es zeugt von der besonderen Atmosphäre bei den Rodgauern, daß sich nach der Partie alle Aktivenmannschaften zu einem Sponsorenevent bei der RP-Group in Rodgau-Jügesheim auf den Weg machten. Die über 100 Baggerseepiraten genossen dort bei Johannisbeerschorle und Salbeitee in aller Ruhe den Blick auf die Frankfurter Skyline. Von Spitze zu Spitze sozusagen…..