Ein mehr als außergewöhnliches Handball-Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Es ist zwar noch ist nicht absehbar, ab wann die Baggerseepiraten wieder auf Punktejagd gehen können, aber die Planungen für die –hoffentlich normal verlaufende- Saison 2021/22 sind schon in vollem Gange. Herzstück der Strategie für die nahe Zukunft ist es, den vor zwei Jahren begonnen personellen Übergang konsequent fortzusetzen. Dabei fällt der Rolle des Chefcoaches eine zentrale Bedeutung zu, denn ihm soll es gelingen, die talentierten Jugendlichen an die rauen Gewässer des Aktivenbereiches heranzuführen. „Es ist vollkommen klar, dass wir noch stärker auf unseren eigenen Nachwuchs setzen werden, gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ist das unser größter Trumpf“, zeigt sich der sportliche Leiter Marco Rhein vom eingeschlagenen Weg überzeugt. Dementsprechend hatten die Gespräche mit Jan Redmann für die Verantwortlichen absolute Priorität, denn es war der erklärte Wunsch der HSG-Verantwortlichen, mit dem 40-jährigen A-Lizenzinhaber zu verlängern. Offensichtlich lag dies auch im Interesse von Redmann, der sich nach eigener Aussage (siehe Interview) bei der HSG so wohl fühlt, dass er sich „derzeit überhaupt nicht vorstellen könnte, zu einem anderen Verein zu wechseln.“ Und so war das Ergebnis des kurzen Gespräches Anfang Dezember dann auch wenig überraschend: Jan Redmann hält für mindestens ein weiteres Jahr als Cheftrainer das Ruder an Bord des Baggerseepiraten-Schiffes fest in der Hand. Die dadurch erreichte Planungssicherheit soll in den kommenden Wochen für zusätzlichen Rückenwind bei den Gesprächen mit den Spielern sorgen. Grundsätzlich will man mit allen Akteuren, deren Vertrag am Ende der Saison 2020-21 ausläuft, verlängern. „Wir haben volles Vertrauen in den Kader und schauen positiv in die Zukunft, denn mit der Zusage von Jan haben wir die Basis für eine kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Mannschaft“, so Marco Rhein, der in seiner Doppelrolle als Sportlicher Leiter und Kapitän besonders eng mit dem Trainerteam zusammenarbeitet.

Interview mit Jan Redmann, der nach seiner Zusage für die Baggerseepiraten auch in der Saison 2021-22 das Kommando von der Seitenlinie aus gibt:

Frage: Hallo Jan, zunächst mal die wichtigste Frage in diesen Zeiten, auch wenn sie wahrscheinlich keiner mehr hören will…Wie geht es Dir ?

J.R.: Den Umständen entsprechend gut, die ganze Corona-Situation ist natürlich belastend. Gerade die zwei Wochen Quarantäne im November waren wirklich nicht schön. Aber jammern hilft nichts, da müssen wir jetzt alle gemeinsam durch.

Frage: „Alle gemeinsam“ ist ein gutes Stichwort. Mit der HSG und Dir geht es auch in der kommenden Saison weiter. Erzähl doch mal, wie es jetzt so schnell dazu kam.

J.R.: Der Verein ist auf mich zugekommen, weil man schon in Richtung nächste Saison planen will beziehungsweise natürlich auch muss. Und ganz ehrlich, da habe ich nicht lange gebraucht, um eine weitere Saison zuzusagen. Es ist einfach so, dass ich mich hier in Rodgau total wohlfühle. Es passt alles zusammen, angefangen vom familiären Umfeld, der Unterstützung durch die Fans und den Vorstand über das Trainerteam, in dem ich mit Andi Knaf einen absoluten Handballkenner an meiner Seite habe. Auch die Zusammenarbeit mit Marco Rhein in seiner Doppelrolle als Kapitän und Sportlicher Leiter ist zielführend. Und dass sein Vater ihn regelmäßig noch durch die Halle scheucht, finde ich auch super (lacht)

Frage: Warum dann nur ein Jahr ?

J.R.: Ach, das mache ich generell, da bin ich etwas abergläubisch. Auf der anderen Seite bin ich damit  in der Vergangenheit immer gut gefahren – inklusive hier.

Frage: Das wird dann Deine fünfte Saison bei der HSG sein. Wo glaubst Du hat die Mannschaft Deine Vorstellungen von Handball schon gut verinnerlicht?

J.R.: Also zunächst mal muss man festhalten, dass ich hier eine total eingespielte und homogene Truppe übernommen habe. Manche Spieler kannte ich ja schon aus diversen Jugendmannschaften, das hat natürlich einige Dinge in der Umsetzung vereinfacht. Generell glaube ich, dass wir unsere Philosophie, über eine extrem ballbezogene und bewegliche Abwehr schnell ins Tempospiel zu kommen, schon ganz gut umgesetzt haben. Zudem ist der personelle Übergang auch sehr gut gelungen, den Abgang einiger etablierter Leistungsträger haben wir mit jungen Leuten mehr als kompensiert. Da sind  wir jetzt  meiner Meinung nach auf einer höheren Leistungsstufe.

Frage: Das Thema Vertrauen auf Jugendspieler ist ja bekanntermaßen eine Deiner Herzensangelegenheiten…

J.R.: Stimmt, generell macht es mir unheimlich viel Spaß, junge Spieler weiterzuentwickeln und gezielt aufzubauen. Und wenn sich dann -aus welchen Gründen auch immer- die Gelegenheit ergibt die Jungs spielen zu lassen, dann sollte man das auch tun. So  wie z.B. nach der Verletzung von Timo Kaiser im vergangenen Jahr. Da musste Schoppi (Henning Schopper), der schon zuvor auf der Position agiert hat, dann eben noch mehr ackern. Das gleiche gilt für Sam (Hoddersen) und Vondi (Johannes Von der Au). Wer die Entwicklung unserer jungen Riege aufmerksam verfolgt der weiß einfach, dass es sich für uns gelohnt hat, auf hungrige und talentierte Jungs zu setzen. Die müssen das Vertrauen des Trainers spüren, damit sie auf dem Feld auch in kniffligen Situationen die Verantwortung übernehmen. Da haben wir auch das nötige Quäntchen Glück gehabt, dass wirklich alle „Jungen Wilden“ in den letzten zwei Jahren leistungsmäßig explodiert sind. 

Frage: War die Aussicht auf weitere Talente aus der eigenen Jugend  auch ein Grund, hier weiter zu machen?

J.R.: Definitiv ! Wenn man sich anschaut, welche Jungs in den nächsten zwei, drei Jahren in den Aktivenbereich kommen, dann muss man deutlich sagen: Für die Infrastruktur, die wir hier haben, sind wir sehr nahe am Optimum. Da tummeln sich Jugendnationalspieler und etliche HHV-Spieler. Die werden von Toptrainern im Jugendbereich betreut, das ist genau der Weg den wir gehen wollen. Ganz klar, es ist eine höchst reizvolle Aufgabe, die Jahrgänge 2003-2005  genauso erfolgreich zu integrieren, wie es uns mit den schon angesprochenen gelungen ist.

Frage: Die mittelfristigen Perspektiven in Rodgau sind demzufolge sehr gut. Wie schätzt Du die Auswirkungen der Corona-Pandemie ein, auf den Handball generell und ganz konkret für die HSG ?

J.R.:  Puhh, das ist nur ganz schwer abschätzbar. Natürlich hoffe ich, dass wir schnellstmöglich wieder zu einer Art Normalität kommen und dieses Katastrophenjahr abhaken. Aber man muss kein Schwarzmaler sein, wenn man befürchtet, dass vor allem Hallensportarten ganz besonders unter den Folgen leiden werden. Wie in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens werden sich Trends verstärken, das heißt, wer bisher Schwierigkeiten hatte, Trainer zu finden oder spielfähige Mannschaften im Jugendbereich zu stellen, der wird es danach nicht leichter haben. In der Tat befürchte ich, dass sich die Handball-Landkarte weiter ausdünnen wird….

Frage: Gilt die gleiche Befürchtung auch für uns?

J.R.: Ganz klar: Nein ! Wir können auf eine kerngesunde Struktur bauen, da steckt so viel Engagement dahinter, dass ich fest davon überzeugt bin, dass wir diese Krise gut überstehen. Auch wenn  es natürlich besonders wehtut, dass unsere Jugendspieler fast ein Jahr in ihrer Entwicklung verlieren.

Frage: Was lässt Dich konkret hoffen ?

J.R.: Ich sehe einfach die Intensität, mit der man auch jetzt im Lockdown an kreativen Lösungen arbeitet: Zoom-Einheiten, Wochenchallenges, etc. Da investieren die Trainer  unheimlich viel Energie – und die Spieler ziehen voll mit ! Das ersetzt kein Handballtraining aber es stärkt den Zusammenhalt, der in diesen Zeiten immens wichtig ist.

Frage: Du selbst darfst ja seit Anfang Dezember wieder trainieren, schildere doch mal Deine Eindrücke.

J.R.  :  Wir haben uns als Mannschaft dazu entschieden, das Training wieder aufzunehmen. Bis auf zwei Spieler, die aus wichtigen und nachvollziehbaren Gründen derzeit pausieren, sind alle mit an Bord. Essentiell war für uns das Thema Schnelltests. Vor jedem Training werden alle getestet, das dauert natürlich etwas länger, aber die Spieler haben dann ein  gutes Gefühl. An der Stelle auch mal ein fettes Dankeschön für die Personen, die uns freiwillig unterstützen ! Beim ersten Training war es schon emotional, die Jungs hatten sich ja wochenlang nicht gesehen. Und alleine die Freude in den Gesichtern, als wir dann in der Halle waren, das war schon ein cooler Moment. Nach der Trainingseinheit waren alle total happy, auch wenn  bei einigen die Fingerkuppen gebrannt haben, weil sich durch das Harzen die Haut abgelöst hat (lacht).

Frage: Du begrüßt also die Möglichkeit, auch unter „Auflagen“ wieder zu trainieren ?

J.R.: Hundertprozentig !  Hier in Rodgau gibt es zwar keine Profis oder Halbprofis aber für das „normale“ Trainings- und Spielpensum gehen schon ein paar Stunden drauf. Für die meisten unserer Spieler ist Handball sehr lebensbestimmend.

Frage: Dann siehst Du auch den Spielbetrieb in der Bundesliga, wo die echten Profis spielen,  als richtig und wichtig an ?

J.R.: Auch da gibt es volle Zustimmung. Wir brauchen die TV-Präsenz, damit die Jugendlichen ihre Vorbilder sehen. Ansonsten droht uns die totale Fußball-Monokultur. Wer keine Idole sieht, denen er nacheifern kann, ist schneller demotiviert. Deshalb bin ich zu 100% davon überzeugt, dass das für unsere Sportart überlebenswichtig ist !

Frage: Zum Abschluß noch ein „Wünsch-Dir-Was“ für 2021…

J.R.: Dass wir alle gesund bleiben, vielleicht doch noch ein Spielbetrieb stattfindet und wir auf alle Fälle in der neuen Saison 2021-22 wieder mit unseren Fans unbeschwert  einige Heimsiege feiern können !