Sensationeller 23:19 (14:7) Erfolg gegen den ThSV Eisenach
Es gibt sie immer wieder, diese magischen Momente, diese Ereignisse, die den neutralen Beobachter sprachlos werden lassen und für die man so gar keine richtige Erklärung finden kann. Die gut 500 Besucher der Wiesbadener Straße wurden am gestrigen Samstagabend Zeuge eines solchen Moments. Dank einer überragenden Mannschaftsleistung zwangen die Rodgauer den selbst deklarierten Aufstiegsaspiranten und bisher verlustpunktfreien Tabellenführer aus Eisenach in die Knie. Vor allem aufgrund der ersten Halbzeit, die mit das Beste war, was eine HSG-Mannschaft jemals vor heimischem Publikum abgeliefert hat, bleiben die Rodgauer zuhause eine Macht.
Foto: Rodgauer Abwehrbollwerk aus Kohlstrung & Henkel
Schon vor dem Anpfiff war eine spezielle Stimmung in der Sporthalle spürbar. Die Thüringer, angereist mit einem ebenso lautstarken wie sympathischen 100-Mann Fantroß, machten richtig Alarm. Selten wurde eine Gastmannschaft so frenetisch und professionell unterstützt, beim Einlaufen verstand man sein eigenes Wort nicht mehr. Doch auch die heimischen Fans wollten nicht zurückstecken und so entwickelte sich auf- und abseits des Spielfeldes eine prächtige Stimmung. Die Anfangsphase verlief sehr ausgeglichen, bis zum 4:4 konnte sich keine Mannschaft einen sichtbaren Vorteil erarbeiten, doch eines wurde schon zu diesem Zeitpunkt deutlich: Die Baggerseepiraten agierten in der Defensive mit extremer Laufbereitschaft, giftig in den Zweikämpfen und stellten konsequent die Laufwege der Eisenacher zu. Johannes von der Au und Philippe Kohlstrung meisterten die Aufgabe gegen den Koloss am Kreis Mürköster mit Bravour, auf den Halbpositionen gingen Tim Henkel und Michi Weidinger ohne Rücksicht auf Verluste zur Sache. Im Angriff zeigte man sich gewohnt variabel. Flo Stenger, der mit seinen 1.80 Meter scheinbar unter dem Radar der Eisenacher Abwehr spielte, nutzte geschickt die Lücken in den Schnittstellen aus. Auch Henning Schopper auf Halbrechts, von Trainer Redmann in die Start-Sieben berufen, trumpfte mit reichlich Selbstvertrauen auf und erzielte zwei blitzsaubere Treffer. Und so streiften die Baggerseepiraten nach und nach die Enttäuschung der Niederlage in Erlangen ab und gewannen zusehends Oberwasser. Mit einem fulminanten Zwischenspurt schraubte man das Ergebnis auf 8:4, was Gästetrainer Sead Hasanefendic unter Standing-Ovations der Rodgauer Fans zu einem Team-Timeout veranlasste. Falls er auf Besserung gehofft hatte, sah er sich getäuscht, denn die Hausherren ließen nicht locker und spielten sich in dieser Phase in einen wahren Rausch. Um jeden Zentimeter Hallenboden wurde gefightet, jeder Ballgewinn bejubelt, man spürte förmlich wie der Glaube an einen möglichen Erfolg wuchs. Der bärenstarke Henkel mit einem Doppelpack und Timo Kaiser vom 7m-Punkt vergrößerten den Abstand auf 14:6 und spätestens als Kapitän Marco Rhein (Note 1+) neben zahlreichen freien Chancen auch noch einen Strafwurf parierte, stand die Halle buchstäblich Kopf. Überhaupt gab es an diesem Abend mehr Steh- als Sitzplätze, so begeistert waren die Zuschauer und feuerten ihre Jungs bedingungslos an. Auf der Gegenseite verging dem ein- oder anderen Thüringer, der sich beim Warmlaufen vielleicht noch etwas amüsiert über die „Größe“ der Sportstätte gezeigt hatte, beim Blick auf den Halbzeitstand von 14:7 zusehends das Lächeln.
So sehr sich die heimischen Fans über die Leistung der ersten 30 Minuten freuten, so groß war auch die Befürchtung, daß man den Vorsprung gegen diese körperlich extrem starke Eisenacher Truppe noch aus der Hand geben könnte. Es wäre nicht das erste Mal im Handball, daß man trotz einer komfortablen Halbzeitführung am Ende mit leeren Händen dasteht. So war denn auch die Marschrichtung von Trainer Redmann, in der Offensive das Tempo etwas rauszunehmen und nicht durch unnötige Ballverluste den Gegner zurück ins Spiel kommen zu lassen. Die Taktik ging bis zum 17:9 durch Stenger auch perfekt auf, doch dann kam der befürchtete Sand ins Getriebe. Mehr als 10 Minuten war nun Torflaute angesagt, selbst beste Einwurfchancen wurden vergeben und die ambitionierten Eisenacher zeigten nun ihre ganze Klasse. Ehe man sich versah, war der Tabellenführer beim 17:14 wieder in Schlagdistanz, erst Henning Schopper mit einem wuchtigen Treffer in den Winkel sorgte für die Befreiung aus der Negativspirale. Kohlstrung und Keller, dem eine ganz besondere Antizipationsgabe in die Wiege gelegt wurde, schraubten das Ergebnis wieder auf 20:14. Die Thüringer gingen nun volles Risiko, brachten den siebten Feldspieler und stellten mit einem Dreierpack in der 52. Minute wieder den Anschluß her. Doch die Rodgauer wollten sich die Früchte ihrer Arbeit nicht mehr nehmen lassen. Erneut Kohlstrung und dann noch Timo Kaiser machten spätestens beim 22:17 unter lautstarken Fangesängen den Deckel drauf, auf den Sitzen hielt es schon seit mehreren Minuten keinen in der Halle mehr – zumindest auf HSG-Seite. Die Jubelszenen nach dem Abpfiff der schweißtreibenden 60 Minuten waren dann ebenso bemerkenswert, wie die sachlichen Kommentare von Gästetrainer Hasanefendic, der den Baggerseepiraten zu einem verdienten Sieg gratulierte: „Im Sport zählen Freude, Wille und Teamspirit, da war Nieder-Roden heute einfach besser“. Ein sichtlich stolzer und emotional berührter Jan Redmann fand ausnahmslos lobende Wort für die Darbietung seiner Jungs: „Die erste Halbzeit war perfekt aber auch die zweite Halbzeit war überragend. Ich kann heute keinen hervorheben, jeder Spieler ging nicht an, sondern über die Leistungsgrenze und war top motiviert. Danke auch an das Publikum, es war wirklich eine sehr außergewöhnliche Stimmung heute, das war einfach nur geil.“
Man darf davon ausgehen, seine Jungs auch die abschließenden Worte „Heute dürft ihr feiern, das habt ihr euch verdient“, sehr ernst genommen haben…..