HSG Hanau   – HSG Rodgau Nieder-Roden                  24:30 (11:9)

Daß Derbys für die Drittligisten dieser Region das Salz in der Suppe sind, wurde im Vorfeld bereits ausreichend diskutiert. Am Freitagabend war es nun soweit, auch wenn auf beiden Seiten zig Jahre an gegenseitiger Rivalität und Tradition mit den ursprünglichen Vereinen SG und TG Nieder-Roden sowie TS Steinheim und TV Kesselstadt zu Buche stehen, kam es zum historisch ersten Aufeinandertreffen der beiden HSGs in der Dritten Liga.

Die mehr als 40 Jahre alte, dafür aber in einem sensationellen Zustand befindliche Main-Kinzig-Halle war mit über 1000 Zuschauern bestens gefüllt, die „Rote Wand“ war in Kompaniestärke mit der gesamten Kapelle angerückt und auf der anderen Seite standen die Fans der HSG Hanau dieser in nichts nach. Dazwischen waren viele Handballinteressierte aus dem ganzen Bezirk, die sehen wollten, ob der von Verletzungen gebeutelte Aufsteiger dem etablierten Drittligisten aus Nieder-Roden Paroli bieten würde.

Und so ging es auch gleich hitzig los: In der ersten Aktion stürzte Timo Kaiser nach einem rüden Foul unglücklich und verletzte sich am Ellenbogen. Gegenspieler Appel wurde dafür mit einer Zwei-Minuten Strafe belegt, der HSG-Torjäger mußte sich einer langen Behandlung unterziehen und konnte über weite Strecken des Spieles nicht mehr eingesetzt werden. Die ersten drei Tore bis zum 1:2 resultierten aus 7-m Strafwürfen, was verdeutlichte, wie verbissen verteidigt wurde. Erst der bestens aufgelegte Philipp Keller, der sich über Linksaußen durchtankte, erzielte das erste Feldtor zum 1:3. Beim 2:5 durch Tim Henkel nach 10 Minuten schien alles den erwarteten Gang zu gehen, bis einige verspielte Bälle die Gastgeber zurück ins Spiel brachten und beim 5:5 war die Partie wieder komplett offen. Im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit zeigte dann der gebürtige Steinheimer in Nieder-Röder Reihen, daß ihn die nach einem verworfenen Ball im Hanauer Fanblock angestimmten „Henkel ist nervös“ –Gesänge, nicht wirklich beeindruckten. Ganz im Gegenteil schien ihn dies dermaßen zu motivieren, daß er drei blitzsaubere Tore erzielte. Darunter auch ein Gegenstoß wenige Sekunden vor dem Pausenpfiff, als ihn der erneut überragende Torhüter Marco Rhein im Mittelfeld anspielte, er den Ball mit einer Hand aufnahm und unter dem Jubel der „roten Wand“ aus 12 Metern ins gegnerische Tor wuchtete. Besagter Jubel der Baggerseepiraten-Fans war neben der Pausensirene das einzige, das man in der Halle hören konnte, der Hanauer Fanblock nahm die Geschehnisse fortan eher schweigend zur Kenntnis. Neben Henkel sprang auch Alex Weber mit zwei ganz wichtigen Toren in die Bresche, die durch den Ausfall von Timo Kaiser entstanden war und so stand zur Pause eine standesgemäße 10:14 Führung zu Buche.

Nach dem Wechsel kam dann für ein paar Minuten auch noch einmal Timo Kaiser zurück und stellte mit zwei schnellen Toren seine Gefährlichkeit unter Beweis, bevor er erneut auf den lädierten Arm stürzte und fortan bis zum Spielende behandelt wurde. Doch auch dieser Ausfall schien die Baggerseepiraten nicht zu beeindrucken, denn jetzt drehte HSG-Youngster Philippe Kohlstrung auf, erzielte acht seiner insgesamt zehn Tore in der zweiten Halbzeit und verwandelte dabei alle Siebenmeter für seine Farben.

Lediglich die schnell ausgeführten Anwürfe, der Hanauer, die immer wieder zu Gegentoren führten, weil das Rückzugsverhalten insbesondere nach eigenen Torerfolgen manchmal etwas vernachlässigt wurde, beließen den Aufsteiger im Spiel. Aus dem gebundenen Angriff heraus hatte die von Philipp Keller wieder einmal überragend organisierte Abwehr und der souveräne Marco Rhein im Tor „alles im Griff“. Symptomatisch war der Treffer zum 15:22, der gleichzeitig die Vorentscheidung bedeutete. Erneut hatte man einen Angriff der sichtlich bemühten Hanauer mit fairen Mitteln vereitelt. Und nachdem der Ball mit spielerischen Mitteln erobert worden war, bot sich Abwehrchef Philipp Keller die Möglichkeit, vom eigenen Wurfkreis über das ganze Feld ins leere gegnerische Tor zu werfen. Das 24-jährige HSG-Urgestein ließ sich nicht lange bitten und versenkte die Harzkugel im verwaisten Tor der Grimmstädter, was die über 250 Gästefans schon in Siegestaumel verfallen ließ. In der Folge wurde der Vorsprung zwischenzeitlich sogar bis auf 19:29 in der 53. Spielminute durch einen spektakulären Gegenstoß von Michael Weidinger ausgebaut, bevor im Gefühl des sicheren Sieges, die Zügel etwas schleifen gelassen wurden und man dem Gegner noch eine Resultatsverbesserung ermöglichte. Spektakulärer Schlusspunkt aus Sicht des Derbysiegers war das 23:30, das erneut Philipp Keller mit einem Unterhandwurf aus 10 Metern durch die Beine des Abwehrspielers erzielte.

Insgesamt waren sich am Ende beide Seiten einig, daß die bessere Mannschaft an diesem Abend verdient gewonnen hatte und das erste Derby zwischen diesen Teams eine Werbung für den Handball in dieser Region war.

Zugegebenermaßen etwas neidisch waren allerdings die Baggerseepiraten auf die Möglichkeiten, die der HSG Hanau mit den Sportstätten in ihrer Stadt geboten werden. Neben der Main-Kinzig-Halle, wäre es bei noch größerem Zuschauerandrang sogar möglich, in die August-Schärttner Halle umzuziehen, die mindestens 2000 Besucher fasst. Doch das war letztlich nur ein Randaspekt an einem aus Rodgauer Sicht rundum gelungenen Abend, davon wollte sich auch Gästetrainer Hauptmann nicht die gute Laune verderben lassen: „Wir haben heute die richtige Einstellung zum Gegner gefunden und die Tugenden gezeigt, die man in einem Derby an den Tag legen muß. Unser Prunkstück derzeit ist ganz klar die Abwehr, wir verteidigen sehr konzentriert und nutzen die sich dadurch bietenden Gelegenheiten dann meistens auch aus. So kann es am nächsten Freitag weitergehen“, blickte der gebürtige Kirchzeller schon auf den nächsten Derby-Knaller gegen Gelnhausen voraus.

Das letzte Tor durch Philipp Keller gibt´s hier: https://www.youtube.com/watch?v=tZSla8O9fyc&feature=em-upload_owner